Der Webmaster Friday der Woche „Ertinken wir in der Informationsflut?“
Inhaltsverzeichnis
„Das ganze Internet lesen ?“
Als ein Kind des 1985er Jahrganges wuchs ich in einem geteilten Deutschland auf und war in den 90ern dabei, als die ersten CDs den Musikmarkt eroberten, das Mobiltelefon zum Hype wurde und das Internet seine Reise in unsere Wohn- und Arbeitszimmer begann. Immerhin lebte ich bis zu meinem 15ten Lebensjahr komplett ohne eigenes Internet – und ich lebte gut und fühlte mich eigentlich nie „unterinformiert“. Ab meinem 16. Lebensjahr begann ich mit diversen Ferienjobs in IT-Abteilungen der nun geeinten Republik und von da an war das Internet fester Bestandteil meines Lebens. Eine persönliche Retrospektive lässt mich jedoch schätzen, dass ich bis vor ca. 4 Jahren mit dem Internet als fester Bestandteil meines Lebens nicht unter einem derartigen Infodruck stand, wie es nun der Fall ist. Ich habe das Gefühl, alles und jeder bewegt sich stärker und penetranter in die Riege jener, die ALLES SOFORT wissen wollen und sich demnach dem Druck aussetzen, ALLES SOFORT wissen zu müssen und dabei vergessen, dass es für einen Menschen mit einer Lebenserwartung bei knapp 80 Jahren einfach nicht möglich ist, „das ganze Internet zu lesen“.
Wohin das führen kann, zeigte uns zuletzt die Publikation Miriam Meckels „Brief an mein Leben“. Eigentlich müsste es eine Kommunikationswissenschaftlerin doch am besten wissen. Weit gefehlt und Welle für Welle stauten sich Informationsberge zu einem Burn-Out. Ich stelle einfach mal die Vermutung an, dass es sicher den ein oder anderen Blogger unter uns gibt, der ebenfalls entweder kurz davor oder schon mittendrin steckt.
Wann spricht man von Informationsüberlastung?
Informationsüberlastung entsteht schlicht dann, wenn die kognitive Kapazität eines Individuums nicht mehr genügt, um die Menge erhaltener Informationen zu filtern oder gar aufzunehmen. Man spricht hier auch von einem „information overload“, wobei die Wissenschaft annimmt, dass insgesamt nur noch 2% der angebotenen Informationen von Kunden, Usern etc. tatsächlich wahrgenommen werden.
Fakt ist aber, dass es heutzutage trendiger ist, alles und jede Information parat zu haben, als eine Überlastung durch zu viele Informationen zuzugeben. Kurz: es ist leider einfach nicht chic, bestimmte Informationen einfach an sich vorbeirauschen zu lassen. Und so verhält es sich mit Informationen wie mit Markenkleidung: hat man sie, ist man gesellschaftlich akzeptierter.
Infomationsplaneten
Letztlich besteht das gesamte World Wide Web aus mehr oder weniger sinnvollen Informationen. Wird das Internet über den Browser geöffnet, haben wir millionen verschiedener Möglichkeiten der Informationsbeschaffung. Das Netz ist also ein ganz eigen funktionierender Informationsplanet und veränderte unsere Regeln der Kommunikation in Grad, Schnelligkeit und Art und Weise grundlegend. Eines der inzwischen schnellsten und sehr häufig genutzten Informationsmultiplikatoren sind Netzwerke wie Twitter und Facebook. Oft hört man von Twitter-Usern: „Huch, einen paar Stunden mal nicht online und schon habe ich dies und jenes verpasst.“. Es geht also darum, dabei zu sein, mitreden zu können und möglichst nicht zu verpassen. Das führt bei vielen sogar dazu, dass sie solche Netzwerke des Informationsaustausches sogar beim Einkaufen oder in der Badewanne über ihr Mobiltelefon nutzen. Ist das nicht schon ein pathologisches Problem? ..wenn man nicht mehr aus- und abschalten kann und möchte?
Informationsmüll
Ein schönes Beispiel für Informationsmüll ist das betrieblich genutzte eMail-System bzw. eMails, die in Unternehmen verschickt werden. Einige von euch kennen diese Probleme vielleicht:
A) Das eigene Postfach ist grundlegend irgendwie immer voll
B) Unbedeutende Mails werden aus unerfindlichen Gründen häufig an einen riesigen Personenkreis versendet (Stichwort „copy your ass“)
C)Aus dieser Situation entsteht die paradoxe Folge, dass es häufig zur Unterinformation einiger Mitarbeiter kommt, da die Menge der Mails nicht mehr wirklich bearbeitet werden kann.
D) Das Postfach füllt sich weiter
Berufliche eMails sind für mich das beste Beispiel für Informationsmüll. Ich habe mein Postfach aktuell mal durchgezählt und nur an die wirklich wichtigen Mails ein rotes Fähnchen geklickt.
Auf 138 Mails kommen (ACHTUNG!) 14 wirklich wichtige eMails. Das hat mich soeben sogar selbst erschrocken. Ich sollte tatsächlich noch deutlich mehr löschen. Oft habe ich auch schon das Phänomen beobachtet, dass gewisse Informationen sehr hoch priorisiert wurden und sich drei Tage später weder jemand daran erinnerte, noch dieses Thema für wichtig hielt.
Informationsgeflutete Blogger
Blogger, die nicht nur aus blauem Dunst heraus bloggen und sich intensiv mit anderen Informationskanälen beschäftigen, unterliegen einer ähnlichen Situation. Man möchte und muss ja auch irgendwie up-to-date sein. Andere Blogs, eMails, Netzwerke, Social News und so weiter – manchmal überschlägt eine Informationsquelle die nächste und man kommt im Grunde nicht einmal zu dem, was man eigentlich tun sollte und möchte: bloggen.
Ich habe mir gleich von Anfang an abgewöhnt, bei jedem Thema dabei sein zu wollen. Mit einem Vollzeitjob bin ich bereits gut bedient und dazu dann noch jedes Thema im Blog zu verwursten, wäre Wahnsinn – besonders, da auch Qualität vor Quantität steht und genauso sollten wir auch unsere Informationsquellen behandeln und nutzen.
Ich habe einen Pool von Informationsquellen, wobei sich darunter auch einige „Offline-Medien“ befinden. Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, ausgewählte Blogs und Webseiten, sowie Twitter (in Maßen) befinden sich in diesem Repertoire. Ich möchte nicht behaupten, dass ich „Zeitmanagement“ so perfekt beherrsche, dass ich mir zum Lesen dieser Medien wöchentlich ein bestimmtes Zeitlimit setze und dieses auch einhalte.
Ich habe mir lediglich angewöhnt, bestimmte und ausgewählte Medien regelmäßig zu lesen, während ich Informationen in anderen Medien nur dann nachgehe, wenn mich das Thema auch wirklich interessiert. Das trifft insbesondere auf Informationen in Social News –Netzwerken, Bookmarkdiensten oder auf Webseiten zu, auf welche ich mal zufällig gerate.
Mein Informationsuniversum, Dein Informationsuniversum
Um mein eigenes Informationsuniversum ertragbar zu gestalten, habe ich mir in den letzten Jahren (teilweise unbewusst) ein paar Strategien angeeignet, mit Informationen umzugehen. Vielleicht ist darunter auch der ein oder andere Tipp für Euch.
1. 1 x wöchentlich sollte man sein berufliches und privates Postfach aufräumen und mit dem LÖSCHEN nicht zimperlich sein!
Wichtig ist dabei: man sollte bereits Ordner zum Sortieren von Mails angelegt haben. Alles was jedoch über 10 Ordner hinaus geht, ist wiederum zu viel, um es sinnvoll zu nutzen.
Bei JEDER Mail die Frage stellen: „Ist der Inhalt für MICH zukünftig wichtig und relevant?“
2. Einen kleinen Pool von Informationskanälen aufbauen, den man regelmäßig und gerne nutzt.
Maximal auf 10 Medien beschränken
Bei der Auswahl der Medien auf Qualität achten (Was lese ich gerne? Was ist kontinuierlich interessant?)
Die restlichen Browser-Bookmarks sollten nicht mehr sichtbar sein, da sie doch wieder nur dazu verleiten, noch mehr Zeit für weitere Informationen zu verschwenden.
3. Informationen, die auf dem PC oder als Lesezeichen gespeichert sind, sollten 1 x im Monat aufgeräumt werden.
Der Mensch neigt zum Sammeln und zum Vergessen.
Bei jeder Datei oder jedem Lesezeichen die Frage stellen: Ist der Inhalt für MICH zukünftig wichtig und relevant?“
4. Auszeiten schaffen!!!
Wenn der PC zum besten Freund wird, gibt es irgendwann Probleme. Ausszeiten sind Zeiten ohne World Wide Web oder Mobiltelefon!
Selten sind Dinge so wichtig, dass sie nicht auch noch am Folgetag erledigt werden können. (Die eigene Einstellung zur Wichtigkeit von Themen sollte öfter hinterfragt und überprüft werden!)
5. Man muss nicht alles lesen und wissen !
Letztlich kann ich nur zu folgendem raten: Tools und Software, die uns die Arbeit und das Filtern von Informationen erleichtern sollen, tun dies meistens nicht. Gefragt ist hier immer bewusstes Wahrnemen und Reflektieren! Wie viel Informationen brauche ich und wie viel Information nehme ich zu mir? Bin ich ehrlich zu mir selbst und kann ich verzichten und diszipliniert mit Informationen umgehen? Schnell wird man merken, auch wenn man die eigenen Twitter-Timelines nicht ständig von unten nach oben studiert, leidet die eigene Lebensqualität nicht!
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